Montségur – der letzte Weg der Katharer

Ein Mann führt unsere Gemeinschaft an. Wir laufen links und rechts am Kreuz vorbei. Kein Wort wird gesprochen. In Gedanken grüssen wir ihn, dessen Weisheiten wir unser ganzes Leben lang vertreten haben. Es ist unser letzter Weg in diesem Leben. Jeder besteigt ruhig seinen Scheiterhaufen. Bei jeder Mutter sind gleichzeitig auch ihre Kinder angebunden.

Wir wissen, was uns erwartet. Mit dem ersten Anzünden fangen wir alle leise an zu singen A E I O U. Die Tonlage ist gleich nur am Schluss geht der Ton beim U in die Höhe. So als ob wir mit dem U das gesamte Wissen und Können aus unseren Leben zurückgeben an Mutter Erde und Vater Universum.

Je mehr das Feuer sich unter unseren Füssen ausbreitet desto mehr singen wir. Immer lauter, mit voller Inbrunst und mit unserem ganzen Herzen. Unsere Kinder singen am lautesten, so als ob sie uns zeigen wollen, dass sie keine Angst haben, dass sie glauben, dass sie vertrauen.

Wir spüren keine Schmerzen, denn wir kennen das Geheimnis der Buchstaben, der Vibrationen, der Schwingungen und die Eigenschaften des Feuers. Es reinigt uns, unsere Leben.

Wir wissen, dass nun eine lange Zeit der Dunkelheit folgen wird.

Irgendwann, als die letzte Stimme verstummt, legt sich eine bedrückende, bleierne Schwere über das Geschehen, über diesen Ort. Die Wenigen, die diesem Geschehen beigewohnt haben, wissen tief in ihrem Herzen, dass grosses Unrecht angetan wurde, dass gute Menschen gegangen sind.  

Wir aber wissen, dass wir uns alle wieder gemeinsam reinkarnieren – in einer Zeit in der Zukunft, die für die gesamte Menschheit von grosser Bedeutung sein wird.

Mit diesem Wissen sind WIR gegangen – adieu geliebtes Montségur.

Sibylle Emilie Windisch, September 2024